Am 27. September stimmt die Schweiz über die sogenannte «Begrenzungsinitiative» der SVP ab. In Wahrheit handelt es sich aber um eine Kündigungsinitiative. Denn die Initianten fordern das Ende der Personenfreizügigkeit mit Europa – und zwar innerhalb eines Jahres. Aufgrund der «Guillotine-Klausel» würde bei einer Annahme der Initiative automatisch auch das ganze Vertragspaket der Bilateralen I wegfallen. Denn die Klausel besagt, dass innerhalb der Bilateralen keine Abkommen – zu denen auch der freie Personenverkehr gehört – einzeln gekündigt werden dürfen. Die Kündigungsinitiative hat entsprechend nicht nur für die Wirtschaft, die Politik oder für unsere persönliche Freiheiten weitreichende negative Folgen. Auch der Schweizer Kulturplatz ist stark betroffen.

Kündigungsinitiative verunmöglicht Teilnahme an «Kreatives Europa», «Erasmus+» und «HorizonEurope»

Bereits seit vielen Jahren warten Schweizer Kulturschaffende auf den Beitritt unseres Landes zu «Kreatives Europa», dem Rahmenprogramm der Europäischen Union (EU) zur Förderung der audiovisuellen und kulturellen Branche. Verhandlungen über eine Teilnahme der Schweiz haben 2014 begonnen. Nach Annahme der Masseneinwanderungsinitiative im selben Jahr wurden diese jedoch sistiert. Seither ist der Schweizer Kultur- und Medienbereich von diesem grenzübergreifenden Kulturförderprogramm ausgeschlossen. Eine Teilnahme für die nächste Programmperiode 2021–2027 wird aktuell geprüft. Bei einer Annahme der Kündigungsinitiative würde sich die Situation aber wieder verschärfen: ein Beitritt der Schweiz zu «Kreatives Europa» wäre dann undenkbar, und auch eine umfassende Teilnahme am europäischen Bildungsprogramm (Erasmus+) sowie am neuen Forschungsrahmenprogramm (HorizonEurope) würde dadurch verunmöglicht. Für Forschungsvorhaben im Kulturbereich, den Austausch in der Ausbildung und für Möglichkeiten der Weiterbildung sind diese Programme auch für Kulturschaffende relevant.

Personenfreizügigkeit ist Voraussetzung für einen erfolgreichen grenzüberschreitenden Austausch

Zudem ist die uneingeschränkte Mobilität innerhalb von Europa im Rahmen der Personenfreizügigkeit eine der Grundbedingungen für den Erfolg der Schweizer Kulturschaffenden. Internationale Kooperationsnetzwerke sind für die Kulturbranche äusserst relevant. Auftritte auf grossen und kleinen Bühnen im europäischen Raum, Ausstellungen in anderen europäischen Ländern und die Teilnahme an internationalen Festivals: Kulturschaffende finanzieren auf diese Weise ihren Lebensunterhalt. Daneben erhöht die Teilnahme an wichtigen Veranstaltungen im europäischen Raum ihr Renommee und ihren Marktwert. Die Zusammenarbeit mit europäischen und internationalen Kulturschaffenden ist inspirierend und erweitert das eigene Repertoire. Für Kulturschaffende ist der Austausch, das Neue und Unerwartete, das Kennenlernen des Anderen eine Grundlage für ihre Arbeit. Auslandsaufenthalte helfen, das eigene Werk aus einer neuen Perspektive zu erfahren und die eigene Arbeit weiterzuentwickeln.

Uneingeschränkte Mobilität innerhalb Europas bedeutet Freiheit

Eine Annahme der Kündigungsinitiative bedeutet, dass die Freiheit, überall in Europa zu leben, zu lernen und zu arbeiten, nicht länger gewährleistet ist. Dies führt zu grossen Unsicherheiten und vielen offenen Fragen: Kann ich weiterhin in der Schweiz wohnen und in meinem Atelier jenseits der Grenze arbeiten? Wird es für mich weiterhin Stipendien in europäischen Ländern geben? Werden Schweizer Kulturschaffende für ihre Arbeit in europäischen Ländern künftig ein Visum benötigen? Werden sie noch zu Ausstellungen, zu Veranstaltungen oder Festivals in europäischen Ländern eingeladen? Werden Schweizer Veranstalter*innen noch ausländische Kulturschaffende für Festivals oder Einzelproduktionen, Konzerte und Ausstellungen einladen können? Werden Auftritte in der Schweiz für internationale Stars noch attraktiv sein? Wird es weiterhin europäische Filmproduktionen mit Schweizer Mitwirkung geben können? Wird der grenzüberschreitende Transport von Kunstwerken, Instrumenten, Theaterkulissen und -garderoben nach wie vor möglich sein? Mit welchem Aufwand?

Annahme der Kündigungsinitiative hat weitreichende Auswirkungen für Kulturschaffende und den Kulturplatz Schweiz

Die Auswirkungen für den Kulturbereich wären verheerend, denn eine stark eingeschränkte Mobilität betrifft nicht nur Schweizer Kulturschaffende, deren Wirkungsbereich stark eingeschränkt würde. Sie betrifft vor allem auch die kulturelle Vielfalt der Schweiz. Wir sehen mit der Coronakrise, wie sich Reisebeschränkungen für Kulturschaffende in der Verarmung von Kultur niederschlagen. Bei einer Annahme der Kündigungsinitiative wäre das nur eine Vorahnung gewesen. Aus diesem Grund empfiehlt Suisseculture die Kündigungsinitiative am 27. September zur Ablehnung.

 

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